Death Stranding: Review - Ein cineastisches Epos

Death Stranding: Review – Ein cineastisches Epos

Seit dem 08. November 2019 ist mit Death Stranding das lang erwartete erste Spiel von Kojima Productions für die Playstation 4 verfügbar. Handelt es sich hierbei um einen Hit – oder verliert sich das Spiel in seinem ungewöhnlichen Gameplay?

Gestrandet in einem fragmentierten Amerika

Amerika in einer nicht allzu fernen Zukunft: eine große Explosion, das sogenannte Death Stranding, hat Amerika zu Teilen unbewohnbar gemacht. Als wäre das nicht schon schlimm genug, sind in der Folge Kreaturen aus der Totenwelt in die Welt der Lebenden eingedrungen – sogenannte Bridged Things, kurz BTs. Die Menschen haben sich in Bunker unter die Erde zurückgezogen. Einzig Boten, die Fracht von einem Bunker zum anderen bringen, wandern noch über die Erdoberfläche.

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An dieser Stelle kommt Protagonist Sam Porter Bridges ins Spiel. Als gefragter Kurier erledigt er Standardlieferungen und will nichts mit den Problemen der Welt zu tun haben. Dumm nur, dass seine im Sterben liegende Mutter die Präsidentin der einst vereinigten Staaten von Amerika ist. Sie ist gleichzeitig Chefin des Konzerns Bridges, der sich mit der Erforschung des Death Stranding beschäftigt. So hat Bridges bereits herausgefunden, dass sich mittels Bridge Babys, kurz BBs, die sonst unsichtbaren Bridged Things sichtbar machen lassen. Diese Babys werden in einer künstlichen Gebärmutter gehalten und sind über ein Netzwerk mit ihrer toten Mutter verbunden. Damit wandeln sie zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten.

Präsidentin Bridges weiht Sam zusammen mit ihrem Helfer Die-Hard-Man in die aktuelle Situation ein. Sams Schwester, Amelie, hat mit einem Team versucht, die verschiedenen Regionen Amerikas miteinander zu verbinden. Doch einige Menschen haben etwas gegen diese Vereinigung gehabt, und Amelie an der Westküste von Amerika eingesperrt. Sam wird nun angefleht, Amelies Aufgabe zu vollenden und sie aus den Händen der Terroristen zu befreien.

Jedermanns Packesel

Aufgabe des Spielers ist es somit, einmal durch Amerika zu reisen und auf dem Weg möglichst alle Orte, die ihm dabei begegnen, an ein Netzwerk anzuschließen. Die Story gliedert sich in 15 Kapitel, von denen einige länger, andere kürzer sind. Das Spiel legt allerdings einen großen Fokus auf die Erzählung seiner Geschichte. Nicht nur die prominenten Schauspieler wie Mads Mikkelsen oder Norman Reedus machen in ihren Rollen einen fantastischen Job. Auch die Hintergrundgeschichten der Charaktere sind interessant, vor allem ungewöhnlich. Um ihre Geschichten zu erzählen, nimmt sich das Spiel viel Zeit. Das findet sich auch in der Betitelung der einzelnen Kapitel wieder.

Meist steht pro Kapitel ein bestimmter Charakter im Fokus, der sich in der Region befindet, die Sam gerade durchquert. Da schreckt das Spiel auch nicht vor langen Zwischensequenzen zurück, die an der einen oder anderen Stelle eher das Gefühl vermitteln, dass man in einem Film sei als in einem Spiel. Diese kleinen Episoden tragen auch zur Lösung der Geheimnisse der Spielwelt bei. Die Story, die hier erzählt wird, ist bis zum Ende hin sehr interessant und beinhaltet vieles, was sich auch auf die aktuelle Situation Amerikas oder gar der Welt übertragen lässt. Auch wenn an der einen oder anderen Stelle die Logik etwas verschwindet, kann Death Stranding in diesem Punkt überzeugen.

Dass Death Stranding doch eher Spiel als Film ist, ergibt sich daraus, dass Sam nicht einfach Bunker an das Netzwerk von Bridges anschließen kann, sondern dafür erst Überzeugungsarbeit leisten muss. Dies tut er, indem er Lieferungen von einem Punkt zum anderen bringt. Hierbei handelt es sich manchmal um Materialien für ein Forschungsteam, manchmal sogar um Menschen. Sam steht in den Bunkern zwar ein Privatraum zur Verfügung, in dem er sich ausruhen kann, die eigentlichen Menschen sieht er aber nur als Hologramm. Außer beim Gang in den Privatraum verlässt er die Oberfläche nie.

Die Lieferungen sollen möglichst unbeschadet bei ihren Rezipienten ankommen. Dafür ist im Voraus eine gewisse Planung gefragt. Denn je nachdem, wie viel Kilogramm Fracht Sam mitnimmt, hat er es schwerer, das Gelände zu überbrücken. Auch die Anordnung spielt eine Rolle. Trägt er zu viel auf dem Rücken, kann er bei unebenem Grund schnell ins Stolpern kommen. Hier muss der Spieler dann per rechtzeitigem Tastendruck dafür sorgen, dass Sam die Balance hält. Der Zustand der Ware entscheidet darüber, wie viele Likes Sam am Ende eines Auftrags bekommt. Als Erfahrungspunkte teilt das Spiel die Likes nach einem Auftrag automatisch in verschiedene Kategorien wie Haltung zu, die Sams Fähigkeiten verbessern. Hier lässt das Spiel leider keine Eigeninteraktion zu. Es wäre schön gewesen, dem Spieler hier mehr Initiative anzuvertrauen.

Death Stranding ist aber auch kein Rollenspiel. Trotz der weitgehend frei begehbaren Welt ist es auch kein typisches Open-World-Spiel. Die Welt ist vor allem weitläufig und karg. Zwar gibt es den einen oder anderen zusätzlichen Ort zu entdecken, die Belohnungen dafür sind aber lediglich kosmetischer Art oder in Form von recht bedeutungslosen Zusatzaufträgen. In dieser Leere liegt aber gerade die Stärke der Welt. Wenn hinter einem Hügel plötzlich eine Stadt in der Ferne auftaucht, gibt das ein ganz besonderes Gefühl.

Dies wird meist von den stimmigen und für das Spiel geschriebenen Songs untermalt. Sams Probleme sind vor allem Flüsse und Berge, die er mithilfe verschiedener Werkzeuge aus dem 3D-Drucker überwinden muss. So langweilig das klingen mag – es funktioniert sehr gut. Denn das Spiel tut alles, um den Spieler mit Sam mitfühlen zu lassen. Hilfsmittel wie Motorrad oder Lieferwagen sind nur begrenzt in dem felsigen Gelände zu gebrauchen. Die meiste Zeit ist Sam zu Fuß unterwegs. Und gerade nach langen Märschen ist die Freude umso größer, es irgendwie geschafft zu haben.

Ein Baby als bester Freund und Helfer

Neben dem Gelände gibt es drei weitere Elemente, die Sams Aufgabe erschweren: Terroristen, der Zeitregen und die Bridged Things.

Terroristen leben an der Oberfläche und haben es darauf abgesehen, den Boten ihre Fracht abzunehmen. Muss Sam durch ein solches Gebiet, kann er entweder versuchen, sich leise durch ein Camp zu schleichen. Oder aber er greift auf Feuerwaffen oder Granaten zurück. Das Spiel ermutigt keinesfalls zum Töten menschlicher Gegner. Die Waffen wirken hier nur betäubend. Da die Terroristen selbst auch Fahrzeuge besitzen, ist eine Konfrontation manchmal unumgänglich.

Der Zeitregen ist ein Wetterphänomem, das an manchen Stellen der Welt permanent vorhanden ist. Er kann aber auch zufällig einsetzen. In den Fällen ist es je nach Schwierigkeitsgrad sinnvoll, einen Unterstand zu suchen. Denn der Zeitregen zerstört sowohl Sams Ausrüstung, als auch seine Fracht langsam. Im normalen Schwierigkeitsgrad konnte der Regen unseren Lieferungen im Test nichts anhaben. Auf höheren Schwierigkeitsgraden wirkt er aber deutlich stärker.

Kommt Sam in ein Gebiet mit Bridged Things, ist es Zeit für den großen Auftritt des Bridge Babys, das Sam bei sich trägt. Mittels Detektor erkennt dieses die Lage der BTs und zeigt an, in welche Richtung Sam besser nicht laufen sollte. Sam selbst kann die BTs nämlich erst sehen, wenn es schon zu spät ist. Kommt er einem BT zu nahe, gerät er in einen Kreis aus schwarzer Materie und weitere BTs versuchen, ihn in die Dunkelheit zu ziehen. Kommt es so weit, ziehen sie Sam zu einem großen BT. Sam kann versuchen, den BT mittels spezieller Waffen zu töten. Meist ist es aber sinnvoller, aus der teerartigen Umgebung zu fliehen.

Da Sam ein sogenannter Wiedergänger ist, kann er nicht wirklich sterben. Bei einem Tod gibt es eine Möglichkeit, ihn wiederzubeleben, indem der Spieler als Seele zurück in Sams Körper fliegt. Die Konfrontationen mit BTs oder Terroristen sind also deutlich schädlicher für die Fracht als für Sam. Die Fracht kann dabei verloren oder ganz beschädigt werden.

Das Spiel verteilt allerdings sehr großzügig Speicherpunkte, sodass es auf normalem Schwierigkeitsgrad eigentlich nicht zu schwierig ist, eine Mission zu erfüllen. Wirklich neustarten muss Sam einen Auftrag nur, wenn er sich bei der Mitnahme von Hilfsgegenständen völlig verkalkuliert hat. Der Kampf ist rein von der fehlenden Belohnung dafür aber etwas, das Sam eher vermeidet. Im Verlauf des Spiels und besonders in der zweiten Hälfte gibt es allerdings einige Bosskämpfe, die den Spieler zum Kämpfen zwingen.

Der asynchrone Multiplayer von Death Stranding

In Death Stranding kann man nicht auf andere Spieler stoßen. Sehr wohl aber auf deren Konstruktionen. Der Multiplayer-Aspekt des Spiels steht vollkommen im Zeichen des Spiels: einander helfen, die Welt wieder zu verbinden. Durch ein zufälliges System werden dem Spieler Brücken, Seilbahnen und andere Elemente angezeigt, die von anderen Spielern gebaut worden. Benutzt Sam diese, verteilt er automatisch ein Like an den Sam des jeweiligen Erstellers. Es lassen sich sogar ganze Straßen bauen, die das ansonsten eher schwierige Fortbewegen per Auto sehr erleichtern. Besonders solche Autobahnen lassen sich mit den Resourcen eines einzelnen Spielers gar nicht vollständig bauen.

Dieser Aspekt lässt sich auch ausschalten. Er fügt sich aber unglaublich gut in das Gameplay. Es verschafft große Freude, wenn man halbwegs gut eine Route zurückgelegt hat, plötzlich aber vor einem Fluss steht, den man von selbst nicht mehr hätte überwinden können, dank der Konstruktion anderer Spieler aber doch überwindet. Umgekehrt kann im Online-Modus alles, was Sam erbaut, bei anderen Spielern erscheinen und geliked werden. Hierfür ist übrigens kein PS Plus-Abo notwendig.

Fazit: Death Stranding – ein ganz spezielles Spiel zwischen Meisterwerk und Monotonie

Death Stranding ist ein Spiel, an dem sich die Spieler bereits scheiden und auch in Zukunft scheiden werden. Gameplay-technisch geht es genau in die andere Richtung als die meisten der heutigen Spiele. Statt dem Spieler viele verschiedene Interaktionsmöglichkeiten zu geben, ist alles sehr reduziert. Das Beeindruckende daran ist aber, dass Death Stranding das sehr konsequent macht. Sämtliche Spielelemente, die Welt, der Multiplayer, die Charaktere – alles passt perfekt zusammen. Spieler, die damit nicht viel anfangen können, werden sich in Death Stranding wirklich so fühlen wie in einem öden Postboten-Simulator. Gleiches gilt für die Story. Das Motion-Capturing der Charaktere hat bisher in kaum einem Spiel so gut ausgesehen, die Landschaft ist ungemein schön, der Soundtrack passt gut zur Handlung. Wer aber ein Problem mit langen, teils sehr langen Zwischensequenzen hat, wird hier ebenfalls keine Freude haben.

Folgt man nur der Story, kann man auf normalem Schwierigkeitsgrad in 34 Stunden durch sein. Wer noch Lust auf Nebenaufträge, dem Ausbau von Straßen oder dem Spiel auf höherem Schwierigkeitsgrad hat, kann noch mal 10 bis 15 Stunden mehr einrechnen.

Obwohl ich selbst auch mit vollgepackten Open-Worlds meine Freude habe und die Entscheidungsfreiheit von Rollenspielen schätze, habe ich im Gameplay von Death Stranding eine entspannende Ruhe gefunden und hatte großen Spaß daran, mit Sam durch Amerika zu wandern. Sicherlich ist die Story an der einen oder anderen Stelle etwas zu pathetisch. Langweilig ist sie aber zu keiner Zeit. Wer sich also halbwegs mit dem reduzierten Gameplay anfreunden kann, bekommt hier ein cineastisches Epos geliefert. In seiner Art vielleicht sogar ein kleines Meisterwerk.

Getestet wurde Death Stranding auf Playstation 4 Pro mit einem von ToLL Relations bereitgestellten Review Key.

Artikelbild und Screenshots: Sony.

Über Jan Drescher

Hi, ich bin Jan. Nach erfolgreichen Ausflügen in die Welt der biologischen und sprachwissenschaftlichen Bachelorprogramme bin ich nun im Master für Wirtschaftswissenschaften und Sprachen des Ostseeraumes. Seit meiner Kindheit leidenschaftlicher Verfasser von Romanen, gehe ich an dieser Stelle meinem Videospiel-Enthusiasmus nach und schreibe zusammen mit Chris, Lukas und Maik über Gaming-relevante Themen.

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